Im Garten gibt es immer was zu naschen
REIMENROD. Auf einer kleinen Anhöhe, mitten in dem gemütlich versteckten kleinen Reimenrod, zwischen Wäldern und Weiden im sogenannten „Gründchen“, da sieht man sie jetzt schon von Weitem im Hof der ehemaligen Wirtshauses leuchten: Geranien mit tiefroten Blüten, in einer Üppigkeit und Größe, dass man es kaum glauben mag. In jedem Frühjahr werden unzählige von ihnen in Sisyphusarbeit von Margret Eifert als Stecklinge neu gesetzt, sie stammen noch von der Großmutter, die hier zuhause war.
Nicht nur dieser prächtige Blumenschmuck mit Geranien und Hortensien ist es, der ein Stück festhält von der heimelig-historischen Aura im Hof des früheren Gasthauses Becker. „Bei Rinnersch“, wie die Wirtschaft und örtliche Postfiliale im Volksmund genannt wurde, das war einmal bis 2008 der kulturell-gastliche Dorfmittelpunkt. Zum gepflegten Feierabendbier, neben dem Neuesten aus dem Dorfgeschehen, gab’s hier die besten Schnitzel weit und breit, so schwärmten viele Gäste. „Der tiefgreifende gesellschaftliche und ländliche Strukturwandel hat leider auch das Ende der meisten Dorfkneipen und Dorfläden mit sich gebracht“, resümiert Arno Eifert nachdenklich.
„Bei Rinnersch“ gehörte eine Landwirtschaft dazu, es gab Milchkühe, Rinder, Schweine, Hühner, Kaltblutpferde für die Feldarbeit, Isländer, auf denen man im geruhsamen Tölt die Seele baumeln lassen konnte. Ganz persönlich fällt nun in der Gegenwart die Hommage an den Gründer Johannes Rinner aus: ein großflächiges, rostiges Eisenschild mit der Aufschrift „Wirtschaft“. Lange war es verschollen, tauchte bei Erdarbeiten eines Tages wieder auf. Von Margret und Arno Eifert wurde es geschrubbt und gesäubert, nun präsentiert es sich an der Scheunenwand. So wie überhaupt vieles wieder liebevoll rustikal hergerichtet wurde: ob im Hof, ob im 1800 Quadratmeter großen Garten hinter dem Haus. Etliches ist eine Reminiszenz an das, was in vergangenen Zeiten lebenswichtig und schön war. Jetzt wird es auf geniale Weise von Arno und Margret Eifert mit Pepp und professionellem Können verflochten mit neuen und jüngeren Elementen. Geprägt wird das Gartenbild durch eine heitere, farbenfrohe Vielfalt, wo das Gänseblümchen. Genauso seine Lebensberechtigung hat wie bodenständige Eiche, Buchs oder die mediteran anmutende Palme. Grünende Pflanzen in allen Schattierungen, blühende Prachtstauden wie rosa und weißer Oleander, puscheliger Perückenstrauch und Funkien, bunte Clematis rankt sich um das einstige Hühnerhaus, inzwischen selbst restauriert und umgestaltet zu einem gemütlichen Fachwerkgartenhaus. Zwischen Vogelsberger Basaltfindlingen und Rimberger Sandstein sprudeln Wasserspiele, die man abends beleuchtet erleben kann. Romantisch führt die kleine Holzbrücke über den winzigen plätschernden Bach, von ihm wird ein Teich gespeist. In diesen Wochen des Spätsommers schweben Libellen über ihm.
„Ich bin der Obst- und der Holzwurm, sie die Blumen- und Gemüsefrau“, lacht Arno Eifert in seiner humorvollen Art, Spaß haben beide daran, Altes zu erhalten, Neues auszuprobieren, und nicht zuletzt übernehmen sie gemeinsam den „Berg“ an pflegerischen Arbeiten. „Zwei Stunden das Wasser aus der selbst gebauten Zisterne schöpfen und gemeinsames Gießen pro Tag in diesem Trockensommer war und ist da gar nichts“, weiß die begeisterte Gärtnerin. Ihr spezielles persönliches Hobby ist der Gemüsegarten. „Er ist in der Art erhalten, wie zu Zeiten von Mutter und Großmutter“, erklärt Margret Eifert, „so etwas wie gelebte Tradition ist unser Gemüse-Bauerngarten. Alles ist Bio – Bohnen, Kohlrabi, Küchenkräuter, Tomaten, Salat, Lauch und Erdbeeren in Mischkultur, neben Hoch- und Blumenbeeten, Beerensträuchern und natürlichem Wildwuchs.“ Im Hintergrund entsteht das selbstgefertigte Gewächshaus aus Holz und Glas. „Der Mix machts“, bemerkt Arno Eifert. „Bei uns im Garten gibt’s immer was zu naschen – auch für Schnecken, Vögel und Insekten. Gärtnern ohne Gift gibt Pflanzen und Tieren einen naturbelassenen Lebensraum.“ Halbhöhlen für Heckenbrüter findet man in dieser Idylle wie Hummel- und Insektenhotels, eine Eidechsen-Bruchsteinmauer oder eine „Nussknacker-Bar“ für Eichhörnchen. „Natur- und Artenschutz liegt mir als Umweltbeauftragter der Stadt Grebenau, als Jäger, ehemaligem Förster und Obstbau-Fachwart besonders am Herzen. Pflanzen, pflegen, pflücken ist unser Lebenselixier“, sagt Arno Eifert, und seine Frau ergänzt: „Wir säen, um zu ernten, und verwerten alles, was wir anbauen selbst.“
Im kühlen, weißgekalkten Keller im aufgearbeiteten alten Vorratsschrank spiegeln sich dann in blitzblanken Gläsern nicht nur Marmeladen und Gelees aller Arten. Sämtliches Obst und Gemüse wird verarbeitet, zu einem großen Teil eingeweckt. „So, wie ich als Kind damit aufgewachsen bin und wie ich es von meiner Mutter gelernt habe“, fügt die leidenschaftliche Köchin hinzu, die nicht weniger gerne backt. Ebenfalls in diesem Bereich gilt, was beide sich zum Credo für Haus und Garten gesetzt haben: „,Do it yourself’ – und dabei das Ursprüngliche bewahren und dieses mit moderneren Ideen neu kreieren.“ Stück für Stück ist der stimmige Garten im Laufe von Jahren entstanden, gewachsen und gestaltet durch immer neue eigene Visionen.
Beim Gang über die benachbarte, von Arno Eifert angelegte, Streuobstwiese, darf natürlich der allerwichtigste im Bunde nicht fehlen: Rauhaardackel Anton. Wie gewohnt saust er als ein unbändiges wildes Geschoss vorneweg, umkreist Herrchen mit durchdringendem Gebell, als dieser die Erfolge seiner neuesten Veredelungen althergebrachter Apfelsorten erklärt. Ach ja, Anton. Sollte er hin und wieder in seiner Quirligkeit doch mal eine kurze Pause einlegen, kann er das überall tun. Im Schatten von Bäumen und Sträuchern, am brummelnden Holzofen im Gartenhaus oder in der urigen Sitzecke im Hof. Eigens ausgeschildert mit dem nostalgisch geschnitzten Hinweis „Lieblingsplatz“. Wie wahr: In einer wahrhaft traumhaften Oase.
Quelle: Oberhessische Zeitung