Grebenau/Hünfeld (red/cdc). Der Biebener IT-Lehrer Jens Heddrich beteiligt sich mit den Schulrechnern der Hünfelder Konrad-Zuse-Schule am Kampf gegen das Coronavirus. Er hat sich gemeinsam mit weiteren Kollegen um die Teilnahme am Folding@home-Projekt gekümmert und stellt die zurzeit freien Rechenkapazitäten der Schule neben seinem eigenen Heimcomputer zur Verfügung. "Wir von der Konrad-Zuse-Schule haben uns überlegt, wie wir in der Corona-Krise den Menschen und somit uns allen helfen können. Wir sind auf die Idee gekommen, uns im Kampf gegen das Virus im Bereich der Forschung zu beteiligen, um schnellstmöglich das Virus besser verstehen zu können und womöglich auch Heilungschancen zu generieren. Mit diesem Ziel beteiligen wir uns seit etwa drei Wochen an dem Volunteer-Computing-Projekt "Folding@Home" der Stanford University", berichtet Heddrich. "Über das von der Stanford-University in Leben gerufene Projekt Folding@home ist es möglich, die Rechenleistung gewinnbringend einzusetzen", fügt er an.
Wie das genau funktioniert und was sich dahinter verbirgt erklärt er folgendermaßen: "Trotz der Ausgangsbeschränkungen und dem Kontaktverbot ist es über das Internet möglich, einen kleinen Beitrag zur Bekämpfung des Coronavirus zu leisten. Dies geht sogar über Nacht, während man schläft." Die Rechnerkapazitäten würden für die Dauer der Schulschließung im Rahmen des Projektes genutzt, um computergenerierte Modelle von Proteinstrukturen zu erstellen, die bei der Forschung gegen das Coronavirus helfen sollen.
Im März 2020 startete die Stanford University in den Vereinigten Staaten das Programm zur Unterstützung von Forschern auf der ganzen Welt, erläutert Heddrich. Die Community arbeite mit den Computermodellen daran, ein Heilmittel zu finden und mehr über den Ausbruch von COVID-19 im Rahmen des Volunteer-Computing-Projektes Folding@home zu erfahren. Statt die Rechenleistung eines einzelnen Rechners zu nutzen, wird dabei eine komplexe Aufgabe in Teilaufgaben aufgeteilt, diese auf mehrere Rechner verteilt und deren Rechenleistungen zur Aufgabenbewältigung genutzt, so Heddrich. Das Projekt nutze durch verteiltes Rechnen die ungenutzten Verarbeitungsressourcen von PCs und Servern. Jeder Privatanwender kann sich an diesem Projekt mit der Rechenleistung seines PCs online einbringen, informiert der IT-Lehrer. Dazu müsse man lediglich auf der Homepage https://foldingathome.org/start-folding den Client herunterladen, installieren und den Rechenprozess starten.
"Das Projekt verwendet hierbei eine statistische Simulationsmethode, die gegenüber traditionellen Berechnungsmethoden einen Paradigmenwechsel darstellt. Als Teil des Client-Server-Modells erhalten die Teilnehmer nach Anforderung eines Dienstes beim Server jeweils Teile einer Simulation (Arbeitseinheiten/Work-Units), berechnen und vervollständigen sie und geben sie an die Datenbankserver des Projekts zurück, wo die Einheiten sodann zu einer Gesamtsimulation zusammengestellt werden", führt er aus.
Der Hauptzweck des Projekts ist die Bestimmung der Mechanismen der Proteinfaltung. Damit sei der Prozess gemeint, durch den Proteine ihre endgültige dreidimensionale Struktur erreichen, und die Untersuchung der Ursachen von Proteinfehlfaltungen. "Dies ist von Interesse für die medizinische Forschung über SARS-CoV-2, Alzheimer, Huntington und viele Formen von Krebs, neben weiteren, anderen Krankheiten", ergänzt Heddrich über das bereits im Jahr 2000 gestartete Gesamtprojekt der Universität.
In geringerem Umfang versuche Folding@home auch, die endgültige Struktur eines Proteins vorherzusagen und zu bestimmen, wie andere Moleküle mit ihm interagieren können, was sich auf die Entwicklung von Medikamenten auswirke.
Auf der Suche nach Lösungen gegen die vom Coronavirus ausgelöste Krankheit COVID-19 wachse das Engagement für Volunteer-Computing-Projekte weiter. Folding@home habe Anfang April die Marke von über einer Million Systeme geknackt und komme inzwischen auf eine kombinierte Rechenleistung von mehr als 2,3 ExaFLOPS (Gleitkommaoperationen pro Sekunde - exa 1018)
Das Distributed-Computing-Projekt habe aufgrund des Coronavirus mehr Rechenkapazität als aktuelle Supercomputer und vorerst einen neuen Rekord aufgestellt: "Wir hoffen mit unseren Möglichkeiten, dem Engagement der Kolleginnen und Kollegen und der zur Verfügung stehenden Hardware ein wenig beim Kampf gegen das Coronavirus beitragen zu können. Dem Landkreis Fulda danken wir für die Unterstützung, dass die technische Ausstattung für diesen Zweck genutzt werden darf", so Schulleiterin Susanne Diegelmann. Heddrich hatte zuvor beim Landkreis um Erlaubnis gebeten, da die Vollauslastung des Schulrechners nicht unerhebliche Stromkosten verursache. Da er auch mit seinem Privat-PC am Projekt teilnimmt und Zugriff auf die ausgeführten Operationen innerhalb des Teams Konrad-Zuse-Schule hat, sagt er: "Die Rechenleistung der Schule ist im Vergleich zu meiner Mühle phänomenal." Angetan ist Heddrich von der Anwender-Software des Projekts, da er dort einsehen könne, welche Rechenoperationen übernommen wurden und welcher Beitrag geleistet wurde. Ebenso gefällt ihm, dass man sich in kleinen Teams am Projekt beteiligen kann und dann die Fortschritte des kompletten Teams in der Software sieht. "Die Vogelsberger können - wenn sie wollen - dem Team der Konrad-Zuse-Schule unter der Teamnummer 260957 beitreten oder auch einfach eigene Teams gründen", sagt Heddrich. Beispielsweise ein Team Oberhessische Zeitung, dass während des Homeoffice zur Verfügung stehende Rechenleistung freigibt, nennt er ein Beispiel im Gespräch mit unserer Zeitung. Dabei könne der Anwender frei einstellen, wie viel Rechenpower er frei gibt. Beim Projekt freue man sich speziell über Unterstützung von PCs mit leistungsstarken Grafikkarten zur Berechnung der aufwendigen 3D-Modelle. Eben Gaming- oder Render-PCs, die viele Schüler und Studenten besitzen dürften.
Übrigens: Am Donnerstag um 15.30 Uhr sprechen Heddrich und Schulleiterin Susanne Diegelmann über das Projekt im Radio bei HR4 Nordosthessen.