Nach 47 Jahren Abschied als Kita-Leiterin

Liane Frantz geht in den Ruhestand / Nachfolge in der Kindertagesstätte „Tabaluga“ in Eulersdorf geregelt / „Zeiten und Gesellschaft haben sich verändert

Nach 47 Jahren pädagogisches Berufsleben zum Wohle der Grebenauer Kinder hat Leiterin Liane Frantz den Staffelstab des Kindergartens in die Hände ihres Nachfolgers Pierre Hentschel übergeben. Foto: Linda Buchhammer

Von Linda Buchhammer

EULERSDORF. Seit vielen Jahren steht Tabaluga, der kleine grüne (Märchen-)Drache des Rocksängers Peter Maffay, in der Kindertagesstätte der Stadt Grebenau buchstäblich Pate für die pädagogischen Inhalte der ersten frühkindlichen Betreuung. Weitaus länger aber wirkt vor Ort in Eulersdorf die bereits jahrzehntelang tätige Leiterin Liane Frantz mit unermüdlicher Energie. Doch mit Beginn des Monats März wird alles anders: Nach 47 Jahren pädagogisches Berufsleben zum Wohle der Grebenauer Kinder übergibt die Erzieherin den Staffelstab des Kindergartens in jüngere Hände. Frantz widmet sich verstärkt ihrem neuen Lebensabschnitt und geht in den Ruhestand. Ihr Nachfolger steht mit Pierre Hentschel bereits fest.

„Alles hat seine Zeit“, sagt Liane Frantz vor wenigen Tagen im Gespräch mit unserer Zeitung und blickt zurück auf zahlreiche Erinnerungen an eine wahrlich erfüllte Kindergartenzeit. Knapp 50 Jahre, in der die gebürtige Grebenauerin Generationen von Jungen und Mädchen ihrer Heimatgemeinde in frühester Kindheit schon an die Hand genommen hat, um mit ihnen außerhalb des familiären Umfeldes die ersten Schritte zu gehen.

Solange Frantz dabei zurückblicken kann, so lange pulsiert bereits auf dem Gelände im Reimertsgrund 7 in Eulersdorf tagein und tagaus viel Leben in der Bude, schildert die Pädagogin. Den Grundstein zum Betrieb des Kindergartens nämlich legte Anfang der 1970er-Jahre Grebenaus einstiger Bürgermeister Wilfried Rosenkranz mit einem Versuchsprojekt in den Räumlichkeiten des lokal ansässigen Dorfgemeinschaftshauses, erinnert sich Liane Frantz an das Jahr 1973. Der Bedarf war da, fix kamen im Gründchen für eine Gruppe 25 Kinder zusammen, die damals schon regelmäßig von zwei Erzieherinnen und Praktikantinnen betreut wurden. Die Kinder wurden meist von einem Angehörigen in den „Behelfskindergarten“ gebracht. Wenn dann aber das Papataxi nicht den Bring- und Abholservice übernehmen konnte, rollte völlig unkonventionell auch mal das Auto des Bürgermeisters vor und brachte die kleinen Schützlinge vom Elternhaus in den Kinderhort oder umgekehrt von dort zurück nach Hause, beschreibt die Leiterin unvergessliche Erlebnisse ihrer Anfangszeiten. Der Kindergarten wurde zu einer wachsenden, mittlerweile unverzichtbaren Einrichtung im Gründchen.

Obgleich Frantz´ Eltern die Tochter gerne im familiären Geschäftsbetrieb gewusst hätten, hegte jene in ihrer Jugendzeit eine Vorliebe für den Beruf der Kinderkrankenschwester. In einem ersten Praktikum im örtlichen Behelfs-Kindergarten aber sprang fix der Funke zur umfassenden Pädagogik über und ließ sie nicht mehr los. Nach Abschluss der ersten Qualifikation zur Kinderpflegerin erhielt sie zugleich ein Jobangebot für ihren Kindergarten mit der Aussicht zur späteren Übernahme der Leitungsfunktion. Das allerdings bedeutete für Frantz, neben der täglichen Praxiserfahrung nochmals für dreieinhalb Jahre in Ziegenhain die Schulbank zu drücken zur fundierten Erzieherausbildung. Ihr Ehrgeiz war da, danach waren für die gesetzlichen Bestimmungen die Nachweise hieb- und stichfest erbracht. Liane Frantz konnte die Leitungsfunktion des Kindergartens im Gründchen übernehmen.

Seither stand sie der Kita-Gemeinde als Leitung, Pädagogin und Ansprechpartnerin, als umsichtige und geschätzte Team-Kollegin und Vertraute voran, und die Entwicklung und Ausgestaltung der Einrichtung nahm fortwährend feste Formen an. Fünf An- und Umbauten zur Erweiterung der Kapazitäten am Kindergarten Tabaluga hatte die Mannschaft um Frantz in der Vergangenheit mit viel Nachsicht und manchem Kraftakt in den laufenden Betreuungsbetrieb integrieren müssen. Und selbst in der vorherrschenden Coronakrise gab es in den vergangenen beiden Jahren nur eine Woche Stillstand.

Während früher die Kinder erst in den Kindergarten kamen, wenn sie mindestens drei Jahre alt und windelfrei waren, sieht die Betreuung heutzutage entschieden anders aus. „Die Zeiten und auch die Gesellschaft haben sich verändert. Die jüngsten Schützlinge sind gerade einmal ein Jahr alt und bedürfen natürlich einer anderen Aufmerksamkeit und Zuwendung als die großen Vorschulkinder auf dem Sprungbrett zur Schule. Ein Kindergarten ist längst nicht mehr ein Hort zum Basteln, Malen, Singen und Geschichtenerzählen wie früher, hier werden auf pädagogisch wertvolle Weise die Grundsteine für viele Kompetenzen des Lebens gelegt“, so die Expertin.

Aus der einst einzelnen Gruppe mit zwei Erzieherinnen und wenigen Praktikantinnen wurde bis heute eine Bildungseinrichtung mit etwa 70 Kindern in vier Gruppen, davon wiederum drei mit Kindern im altersübergreifenden Alter sowie eine Krippengruppe mit separatem Schlafbereich und ideenreich angegliedertem Wickelraum für die Jüngsten. Damit einhergehend gilt es, den Anstieg der Mitarbeiter auf knapp 20 Personen zu benennen, die wiederum aufgeteilt sind in einen Großteil pädagogisches Personal, zwei Hauswirtschafterinnen und mehreren Praktikanten. Die Doppelfunktion als Leitung der Verwaltung und Erzieherin in den Gruppen unter einen Hut zu bekommen, bedarf schon einem besonderen Naturell mit hohem Maß an Sozialkompetenzen und Stärke. Auf die Frage, ob sie ihre Berufswahl von einst heute noch einmal treffen würde, antwortet Liane Frantz, ohne lange zu überlegen, mit einem kurzen, überzeugenden „Ja“.

Mit gutem Bauchgefühl zieht sie schlussendlich für ihr langjähriges Agieren in Eulersdorf die Bilanz, dass oftmals Unmögliches möglich gemacht wurde, weil die Zusammenarbeit zwischen dem Kita-Team und der Stadt, der Kirchengemeinden, den ansässigen Vereinen, den Organisatoren zum Weihnachtsmarkt, mit Gönnern, Besuchern der Einrichtung und der Elternschaft vornehmlich im offenen, ehrlichen Ton verlief. Der Frontfrau werden besondere Highlights wie der Besuch von verschiedenen Fernseh- und Radioteams genauso im Gedächtnis bleiben, wie das Kita-Hängebauchschwein, mancher Workshop mit den Eltern und die vielen Projekte, Erkundungen, Feste – die erlebten Momente mit den Kindern. Wer hätte wohl gedacht, dass selbst der amtierende Bürgermeister im Gründchen als kleiner Junge in der Obhut von Liane Frantz war, genauso wie ihr Nachfolger Pierre Hentschel.

Wie viele Rotznasen sie jedoch im Laufe der Zeit geputzt hat, lässt sich nicht mehr beziffern. Was sich aber durchaus in die Geschichte der Kita eingebrannt hat, ist die Tatsache, dass sich nicht nur Kinder vor Ort pudelwohl gefühlt haben, sondern auch eine echte Waschbärenfamilie mit großem Hang zur Unordentlichkeit und einem Oberhaupt mit Vorliebe für ein ausgedehntes Nickerchen in einer kuscheligen Nische. Im Gedächtnis geblieben sind ebenso jene Einbrecher, die sich vor Jahren offenkundig in der Tageszeit geirrt hatten.

Knapp 50 Jahre wird im Kindergartenbetrieb in Eulersdorf bereits gespielt, gebaut, gebastelt, erzählt, gestritten, versöhnt, getröstet, zwischendurch gegessen und gemeinsam gelacht. Und das wiederum geschieht unter der Aufgabe der Einrichtung, die Kinder nicht zu formen, sondern ihnen Flügeln zu geben und dabei jedem einzelnen Schützling zu erlauben, sich zu entfalten. Und mit diesem einhelligen Tenor geht es in der Kindertagesstätte Tabaluga auch in Zukunft weiter. Übrigens zeitweilig sogar mit Liane Frantz. Wenn sie auch einen großen Schritt in eine neue Lebensphase getätigt hat, bleibt sie dem Kollegium und den quirligen Rackern noch mit einem kleineren Stundenkontingent erhalten.

Quelle: Oberhessische Zeitung

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